Überfall auf den Hübgeshof

In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1761 wurde der Hübgeshof im Rade durch eine 40 bis 50 Mann starke Räuberbande überfallen. Der Vorgang vollzog sich nach den erhalten gebliebenen Aufzeichnungen folgendermaßen:

Zwischen 11 und halb 12 Uhr bellte der Hofhund außergewöhnlich heftig, wodurch der Besitzer veranlaßt wurde, aufzustehen und hinauszugehen. Da er aber nichts bemerken konnte, suchte er sein Bett wieder auf. Kurz nach Mitternacht wurde er durch das Bellen des Hundes nochmals aus dem Schlaf aufgeweckt. Fast gleichzeitig hörte er, wie die Seitentür seines Hofes durch zwei oder drei gewaltige Stöße zertrümmert wurde. Nur mit Hose und Unterkamisol bekleidet, eilte Hübges in die Küche und sah, wie einige Kerle in das Vorhaus drangen, die auf den Schultern einen etwa fußdicken Eichenbaum trugen, mit dem sie nach einem kräftigen Anlauf gegen die Küchentür rannten. Hübges rief hinaus: „Wer da, wer schlägt mir die Tür mit Gewalt auf?“ Von draußen antwortete jemand: „Husaren sind hier, Husaren sind hier.“ Hübges entgegnete: „Was wollen denn die Husaren? Wenn es ehrliche Husaren sind, soll man ihnen geben, was ihnen gebühret. Ihr müßt mir aber keine Gewalt antuen!“ Darauf wurde geantwortet: „Mach auf, mach auf! Das sollst du wohl sehen, Kanaille, was wir mit dir machen werden!“ Inzwischen waren die Einbrecher mit dem Eichenbaum mehrmals gegen die Küchentür angelaufen, die aber dem Anprall noch widerstand. Einer der Räuber ergriff eine Heugabel, zwängte sie in die Türspalte, zerbrach sie gänzlich, erreichte aber nichts. Ein anderer dagegen hieb mit einer Axt ein Stück aus der Tür heraus. Durch das Loch konnte Hübges die Leute in dem Vorhaus deutlich sehen. Sie schienen voller Unruhe zu sein, die starke Tür würde ihren Anstrengungen trotzen. Hübges konnte auch einigen in das Gesicht sehen, erkannte aber niemand; wohl sah er, daß es junge, große und frische Kerle waren, bekleidet mit den schönsten, geblümten damastenen Unter- und Überkamisolen. Einige trugen braune Mäntel. Zwei hielten Gewehre in den Händen. Hübges, seine Frau, sein Knecht und seine Magd, alle mußten auf das Schlimmste gefaßt sein. Sie rissen ein Fenster auf, um „Hilfe“ hinauszuschreien. Mit Stößen und Schlägen von draußen wurden sie zurückgetrieben. Dreimal noch wiederholte sich dasselbe an anderen Fenstern, so daß es schien, als sei jedes Fenster mit drei oder vier Mann zur Abwehr besetzt. Daraufhin ergriff Hübges seine Flinte, zielte durch das Loch in der Tür einem der Räuber ins Gesicht, aber das Gewehr versagte.

Mittlerweile war der Türe mit dem Eichenbaum so zugesetzt worden, daß sie jeden Augenblick in Stücke gehen konnte. Noch einmal erfolgte ein heftiges Anrennen, und die Räuber hatten den Eingang freigelegt. Mit einem Beil in der Hand trat ihnen Hübges mutig entgegen, doch die Übermacht trieb ihn mit Stößen und Schlägen zurück. Etwa zehnmal wurde mit losem Pulver in die Küche hineingeschossen, so daß sich alles in schwarzen Rauch hüllte. Mehrere Räuber stürzten sich auf Hübges, rangen mit ihm, um ihn auf den Erdboden zu werfen, aber erst dann unterlag er, nachdem ihm einer mit einem Stuhlbein drei- oder viermal auf den Kopf geschlagen hatte. Während man ihn fesselte, stellten sich mehrere Kerle auf den Rücken, so daß er vermeinte, sterben zu müssen. Seine Frau hatte man gleichzeitig ergriffen und ihr Hände und Füße gebunden. Ebenso erging es dem Knecht und der Magd. Dann durchwühlten die Räuber alle Schränke und Kasten und rafften alles zusammen, was ihnen wertvoll vorkam. Auch die beste Leinwand wurde zum Haus hinausgetragen. Fortwährend drohte man dem Besitzer an, ihn „in Öl zu braten“, wenn er nicht den Ort nenne, wo er sein Geld aufbewahre. Hübges ließ sich aber nicht einschüchtern, doch, da der Kerle so viele waren, fand man seine Ersparnisse im Bettstroh. Einer, wohl der Anführer der Bande, stand während des ganzen Vorgangs abseits und sagte nur wiederholt: „Geschwind, macht voran!“ Zuletzt, als man schon das Haus verlassen wollte, trat noch einer auf den gefesselten Hübges zu und fragte: „Bauer, hast du noch Geld in deiner Hose?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, durchsuchte er die Taschen und nahm alles heraus, was darin war. Der Anführer sprach sodann: „Nun haben wir genug getan. Nun mögen andere kommen.“

Es fand sich später, daß die Räuber auch zwei Gewehre, darunter das, welches im Vorhaus versagte, die Sattelpistolen, sowie Pulver und Blei mitgenommen hatten. Daß man die Räuber später einfing oder wenigstens einen Teil des gestohlenen Gutes zurückschaffte, wird nicht berichtet. Nach mündlicher Überlieferung fand man von allem nie eine Spur.

Blick vom Rade aus - Lithographie von Süchteln um 1850

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